Publikation

Hier finden Sie regelmäßig neue Beiträge der Living Publication

Stefan Schreiber – Monika Zöller-Engelhardt (Hrsg.), Sorge(n) des Lebens: Herausforderungen der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft aus Sicht der Ancient Studies (Mainz 2022)

Sorge(n) des Lebens. Eine Einleitung

Stefan Schreiber und Monika Zöller-Engelhardt

Eine der weitreichendsten Herausforderungen in der Gegenwart und Vergangenheit stellt der Erhalt und die angemessene Ausgestaltung des Lebens dar. Leben war und ist immer riskantes und vulnerables Leben. Es ist in all seinen Facetten ständig Gefährdungen, Einschränkungen, Verletzungen und Unsicherheiten ausgesetzt. Diese reichen von Gefahren der Geburt, des Aufwachsens, des Arbeitslebens, des Krankseins, der Gewalt, des Alterns bis hin zu jenen jederzeit auftretenden Risiken des Sterbens. Zugleich ist es nicht nur in biologischen und körperlichen Dimensionen vulnerabel. Gefährdungen treten ebenso in sozialen, kulturellen, imaginierten und politischen Dimensionen auf. Dadurch sind z. B. auch Aspekte der Ausgrenzung und Diskriminierung, des Nachlebens im Jenseits, der Erinnerung, Würdigung und des Vergessens Herausforderungen riskanten Lebens. All diesen Herausforderungen wird häufig mit Sorge(n) begegnet.

WEITERLESEN

Wie Fundplätze zu Sorgenkindern wurden. Zur Emotionalisierung der Denkmalpflege in Deutschland im 20. Jahrhundert

Susanne Grunwald

Stefan Schreiber quittierte meinen Vorschlag für diesen wissenschaftsgeschichtlichen Beitrag zum Sorge-Workshop zuerst, aber nur kurz, mit Skepsis. Tatsächlich weist das Thema weit weg von zwischenmenschlichen Vor-, Für- und Nachsorgemaßnahmen in vormodernen Gesellschaften. Aus meiner Sicht jedoch verbindet diese Sorge-Perspektive ganz hervorragend Mensch und Materialität, Gegenwart und Vergangenheit, Tatsache und Konzeptualisierung, denn sie erlaubt mit zeitlichem und auch sozialem Abstand zu diskutieren, wie und zu welchem Zweck eine Situation überhaupt zu einer sorgenvollen Aufgabe erklärt und dann durch verschiedene Strategien gesellschaftlich oder politisch als Wert platziert und verankert wird. Für die archäologische Denkmalpflege in Deutschland mache ich als solche Strategien die Versachlichung und die Emotionalisierung hin zu einem wirkungsvollen Denkmalschutz aus. Diese Strategien skizzenhaft zu rekonstruieren und zu diskutieren verspricht zweierlei: erstens wird die Raum- und Zeitgebundenheit solcher Konzeptualisierung von Sorgeaufgaben und deren Versachlichung oder Emotionalisierung deutlich, womit zweitens Vergleichsmöglichkeiten mit anderen nationalen Denkmalpflegediskursen oder ganz anderen Sorgebeziehungen eröffnet werden.

WEITERLESEN

‚Sorge um das Leben‘ oder ‚Sorge als Leben‘? Neo-vitalistische Denkfiguren als Alternativen zu einer funktionalistischen Beziehung

Stefan Schreiber

Im Rahmen dieses Essays möchte ich einige erste Gedanken zu Denkfiguren der Sorge äußern. Diese entstanden im Rahmen des Workshops “Sorge(n) des Lebens. Herausforderungen der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft aus Sicht der Ancient Studies”. Sie bilden lediglich einen Startpunkt meiner Auseinandersetzung im Rahmen der Thematic Area 1 „Umsorgtes Leben“ des Profilbereichs „40,000 Years of Human Challenges. Perception, Conceptualization, Coping in Premodern Societies“ an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Hierin möchte ich auf einige Differenzen zwischen funktionalistischen und (neo-)vitalistischen Denkfiguren der ‚Sorge‘ und die daran anknüpfenden Konsequenzen hinweisen. Dazu wähle ich bewusst das Instrument der (Denk-)Figur, da diese statt einer begrifflichen oder konzeptuellen Präzisierung und Engführung durch Flexibilität, Assoziativität und Offenheit gekennzeichnet ist. Figuren beschränken sich nicht auf disziplinäre und diskursive Zusammenhänge, sondern öffnen den Blick für Transformationen und Übersetzungen (Brandstetter – Peters 2002; Müller 2013; vgl. Schreiber 2018, 207–214).

WEITERLESEN

Vergiss die Sorge! Überlegungen zur Analyse von Konzepten der Sorge in der altägyptischen Funerärkultur

Monika Zöller-Engelhardt

In heutigen westlich geprägten Gesellschaften scheint es, dass Sorgen bzw. sich Sorgen zu machen allgegenwärtig ist. Forschende bezeichnen moderne Zivilisationsformen gar als „Sorgegesellschaft[en]“ (Karle 2019, 19). Damit werden vor allem die negativ konnotierten Aspekte alltäglicher Sorgen in den Vordergrund gestellt, wie Sorge um die eigene Zukunft, Sorge um die Angehörigen, den eigenen Arbeitsplatz oder die Umwelt (Henkel u. a. 2019, 7). Der planerische Zukunftsbezug von Sorge, in welchem die zukünftige Gegenwart zur Herausforderung der gegenwärtigen Zukunft wird, wird teils explizit als „Spezifikum der Moderne“ (Henkel 2016, 35) angesprochen. Sorge ist jedoch nicht rein als geradliniger Gedanke des Individuums an eine mögliche Zukunft zu verstehen, sondern berührt als Untersuchungsgegenstand unter anderem Bereiche der Soziologie, Psychologie, Philosophie und Ethik sowie Theologie.

WEITERLESEN

The Testament of the Nun Maria (Kale). Commemorative Dining, memoria and Servitude in Byzantium at the Time of the First Crusade

Zachary Chitwood

The testament of Kale (in religion Maria), written in the year 1098 and transmitted by copy in the archive of Iviron Monastery on Mount Athos, constitutes one of the most remarkable documents of the Moyen Âge grec. While its contents have hitherto been analyzed through the lens of economic and rural history, her will contains exhaustive commemorative prescriptions which shed light on how Byzantine founders sought to preserve their memory. The present contribution examines this testament, along with related documents, as a remarkable expression of Maria’s concern for the salvation of her soul, and that of her spouse, which she sought to realize through memorial services, charitable distributions and commemorative feasting. The testament makes clear that Maria pursued various commemorative strategies to perpetuate her own memory and that of her deceased husband: to this end, she incentivized several groups of people with bequests to pray for her after her death. A complete translation of the testament into English is offered along with an annotated commentary in an appendix.

WEITERLESEN